TSG Süd­ost 96 — Leben im Ein­klang mit der Natur

Arti­kel aus “DEIN Sen­zig Maga­zin”, Heft 3, 2019

FKK am Zeese­ner See

Der Ber­li­ner liebt bekannt­lich das Grü­ne. Des­halb war es eine Fra­ge der Zeit, dass sich 1928 eine Neu­köll­ner FKK-Gruppe auf­grund ihres Zulaufs ein neu­es Domi­zil suchen muss­te. Bis dahin ver­füg­te sie nur über ein unge­fähr zwei Faust­ball­fel­der gro­ßes Gelän­de inmit­ten einer Klein­gar­ten­an­la­ge. Der Ver­eins­chef wur­de in Sen­zig fün­dig. Der orts­an­säs­si­ge Bau­er Fried­rich Dre­bel­hof ver­pach­te­te den Anhän­gern der Frei­kör­per­kul­tur ein Are­al am Zeese­ner See. Damit war der Grund­stein für ein lan­ges Ver­eins­le­ben gelegt, das Höhen und Tie­fen kann­te, und sich gegen alle Wid­rig­kei­ten der Zeit­läuf­te behaup­ten konn­te.

„Die Gebäu­de und Sport­an­la­gen, wie man sie heu­te auf unse­rem Gelän­de sieht, haben wir zu 95 Pro­zent aus eige­ner Kraft geschafft“, sagt Bernd Bau­er, der seit einem Jahr der heu­ti­gen Turn- und Sport­ge­mein­schaft (TSG) Süd­ost 96 e.V. vor­steht. Die Chro­nik des Ver­eins, bei der das lang­jäh­ri­ge Mit­glied Regi­na Seitz feder­füh­rend ist, beschreibt aus­führ­lich den Wer­de­gang der Gemein­schaft.

Anfang der 30er Jah­re erhol­ten sich bei Sport und Spiel rund 100 Mit­glie­der, die damals noch alle in Zel­ten kam­pier­ten. Spä­ter in der Nazi­zeit und auch nach dem Krieg, ist der Chro­nik zu ent­neh­men, stand das Schick­sal des Ver­eins mehr als ein­mal auf der Kip­pe. „Zu Kriegs­zei­ten dien­te das Gelän­de vie­len Mit­glie­dern als Zufluchts­stät­te. Seit­dem ist noch immer ein beson­de­rer Zusam­men­halt zu spü­ren“, schreibt Brun­hild Hau­schild, Mit­glied seit 1978, in ihrem klei­nen Geschichten- und Foto­band „Jah­res­zei­ten – Zeit­klang“. Man habe sich gegen­sei­tig beim Auf­bau von Zel­ten und spä­ter der Hüt­ten gehol­fen. „Arbei­ter, Pro­fes­so­ren oder Künst­ler waren alle gleich, nicht nur nackt“, erzählt die Sport-freundin.

Auf dem 25 Hekt­ar gro­ßen bewal­de­ten Gelän­de ste­hen heu­te neben eini­gen klei­nen Kin­der­zel­ten noch ein ein­zi­ges Steil­wand­zelt und 166 Hüt­ten. Sie dür­fen 14 Qua­drat­me­ter haben und einen Vor­platz von 8,5 m² nicht über­schrei­ten. Zwei Drit­tel der Hüt­ten ver­fü­gen über Solar­an­la­gen, der Rest bekommt Licht durch Bat­te­rien. Gekocht wird mit Pro­pan­gas. Seit 1992 dür­fen nach drei­ma­li­ger „Kampf­ab­stim­mung“, so Bernd Bau­er, auch Wohn­wa­gen auf­ge­stellt wer­den. „Jetzt sind es etwa 20, wir wol­len das aber nicht aus­wei­ten, zumal ent­spre­chen­de ver­trag­li­che Auf­la­gen uns ent­spre­chen­de Gren­zen set­zen.“ Das Are­al ist aus ver­wal­tungs­tech­ni­schen Grün­den in fünf soge­nann­te Bür­ger­meis­te­rei­en unter­teilt. Sie tra­gen solch anschau­li­chen Namen wie „Kin­der­land“, „Mücken­grund“, „Wie­sen­grund“, „Mit­te“ und „Berg­land“.

Pflicht: Geba­det wird ohne Tex­til!

Hier ist fast zu jeder Jah­res­zeit etwas los. Sport­lich unter­wegs ist man bei Vol­ley­ball, Tisch­ten­nis oder Bad­min­ton, bei Faust­ball und Beach­vol­ley­ball sowie beim Prell­ball und in der Leicht­ath­le­tik. Kin­der und Jugend­li­che kön­nen sich auf einem Bolz­platz aus­to­ben. Und dann ist ja noch der Zeese­ner See, der zum Bade lädt. Hier kön­nen die Jun­gen und Mäd­chen auch Schwim­men ler­nen. Eiser­ne Regel beim Baden: Nur nackt! „Das steht sogar in der Sat­zung“, sagt Regi­na Seitz. Wäh­rend noch in den 70er Jah­re auch beim Sport alle im Adams­kos­tüm antra­ten, sei das heu­te gar nicht mehr üblich.

„Nackt­ba­den ist das Schöns­te, was es gibt“, ergänzt Mari­on Becker-Bertz, als Kas­sen­war­tin zustän­dig für die Finan­zen. „Den Ver­ein muss man finan­zi­ell wie eine Fir­ma füh­ren. Wenn man das nicht genau macht, kann man ein­pa­cken“, betont die beken­nen­de Zah­len­fe­ti­schis­tin, die noch im Berufs­le­ben steht. Um das Ver­eins­le­ben am Lau­fen zu hal­ten, gebe es auch Pflich­ten.

 So ste­hen im Jahr Arbeits­stun­den für die unter 65-Jährigen an: für Män­ner zehn, für Frau­en sie­ben. Gegen­wär­tig hat der Ver­ein 321 Mit­glie­der, dar­un­ter ein deut­lich hoher Anteil an Senio­ren. Der Ältes­te ist 92. „Es ist jedoch eine Ten­denz zu beob­ach­ten, dass zuneh­mend jun­ge Fami­li­en mit Kin­dern kom­men, dar­un­ter auch vie­le Wie­der­ein­stei­ger“, berich­tet sie. Etwa 90 Pro­zent der TSG-Mitglieder kom­men aus Ber­lin und aus dem Umland, eini­ge aus Pots­dam und sogar aus Sachsen-Anhalt.

Vie­le von Kin­des­bei­nen an dabei
Wie könn­te es bei einem Ver­ein auch anders sein: Es wird viel gemein­sam ge-feiert. „Das ist sogar in einem Jah­res­plan fest­ge­legt“, betont Bernd Bau­er. Dar­in sind neben den Sport­tur­nie­ren auch Neptun‑, Kinder- und India­ner­fes­te sowie die Son­nen­wend­fei­er fes­te Pos­ten, locken Tanz­aben­de, Frei­licht­ki­no bei gutem Wet­ter oder Grill­aben­de die TSG-Mitglieder aus ihren Hüt­ten. Vie­le ken­nen das schö­ne Stück Natur seit ihrer Kind-heit und haben so man­che humor-volle Epi­so­de parat. Zum Bei­spiel über Bernd Bau­ers Vater Wil­ly, der seit 1946 dabei war, und jeden Sonn­tag­mor­gen um 7 Uhr pünkt­lich zur Früh­gym­nas­tik rief. „Alle muss­ten mit­ma­chen, aber man konn­te sich auch ver­ste­cken“, erin­nert sich Regi­na Seitz. Für nicht weni­ge Sen­zi­ger war das FKK-Gelände an der Kör­bis­kru­ger Stra­ße 103 ein Buch mit sie­ben Sie­geln. Es kur­sier­ten vie­le Gerüch­te, selbst von der Sta­si war die Rede.

GABEN GERN AUSKUNFT: REGINA SEITZ, MARION BECKER-BERTZ, BERND BAUER UND BRUNHILD HAUSCHILD (VON LI.)

India­ner am Zeese­ner See

„Sen­zig Open“ am 17. August brach­te da Licht ins Dun­kel. „Etwa 25 Besu­cher sahen sich bei uns um, eini­ge wuss­ten gar nichts von unse­rer Exis­tenz“, sagt Ver­eins­chef Bernd Bau­er. Die Kon­tak­te zum Netz­werk Sen­zig sind längst geknüpft. Vor allem auf sport­li­chem Gebiet bie­te sich eine Zusam­men­ar­beit an. „Wir sind offen für alle, wer sich bei uns umse­hen möch­te, braucht sich nur anzu­mel­den.“ Ende Okto­ber hat die TSG ihre Sai­son mit einem gemein­sa­men Kaf­fee­trin­ken been­det. Brun­hild Hau­schild emp­fin­det es in einer Gedicht­stro­phe so: „Die Hüt­ten hal­ten Win­ter­ru­he, der Specht klopft schon sein letz­tes Lied. Ver­staut die Sachen in der Tru­he, adieu, bis man sich wie­der­sieht!“

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